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Samstag, 29. Dezember 2012

Die Lehrerin im Weihnachtskostüm und Totwarten in Notaufnahme

Langsam geht das Jahr zuende, daher mein letzter Eintrag für 2012.

Wie ich ja schon letztes Mal geschrieben hatte, hat meine Gastfamilie ein komplettes Weihnachtsfest gefeiert, ganz traditionell mit Weihnachtsliedern, Ente, etc und das alles nur, damit es für mich wie zu Hause ist. Das war echt richtig grandios.

Da ich hier ja wirklich auch überall mal reinschauen will, hab ich jetzt auch mit Freiwilligen-Arbeit begonnen. Das heißt, ich habe Donnerstag Nacht hier in Novgorod im Krankenhaus gearbeitet. Eines des Rotary-Mitglieder ist nämlich zwei mal im Monat diensthaber Arzt im Krankenhaus und zuständig für den Ultraschall, wenn notfallmäßig nachts etwas untersucht werden muss. Meine Aufgabe war es dann den Patienten zu helfen, sie zu halten und z. B. umzudrehen und sie auf eine andere Station zu bringen. Zwischendurch war ich noch ein bisschen auf der Chirurgiestation und habe mit Pfleger Aleksej den Stationsdienst gemacht. Nun, wie ich ja schonmal berichtet habe, sind russisches Krankenhäuser etwas...anders. Um nicht zu sagen - alt, dreckig und baufällig. As fehlt an eigentlich allem möglichen Gerät, und das was da ist, ist kaputt und rostig. Die Betten in den engen Zimmern haben Bettbezuge und Decken, die wir bei uns vielleicht nehmen würden, um den feuchtgewordenen Keller trocken zu legen..
Die einzige elektronische Überwachung gab es im Reanimationsraum, sogar die Schlaganfallstation war ohne Herzüberwachung. Die Diagnosen werden hier auch hauptsächlich noch "per Hand" gemacht. Die Medikamente werden in einem offen zugänglichen Raum aufbewahrt, in dem der Kühlschrank schon nicht mehr geht, und die Infusionen... ach lassen wirs.


 Zugang zum Operationsaal (tut mir leid für die Qualität)

Naja, zum Glück kamen aber wenig Patienten, und ich konnte nachts auch ein bisschen schlafen, zwischen den Notfällen. Ansonsten war aber das Warten echt langweilig, ich hab in meinen Leben noch nie soviel Tee getrunken. Dafür war ich dann nachts bei einer Magenspiegelung, die in Russland selbstverständlich ohne Beruhigungsmittel durchgeführt wird. Die würgenden und krampfenden Patienten nachts um halb 3 auf der Liege festzuhalten ist dann doch ein bisschen anders. Aber es war echt interessant, nicht nur für die Erfahrung "wie ist ein russisches Krankenhaus", sondern auch medizinisch wurde mich viel beigebracht (:


Übrigens, Wartejobs gibt es hier sowieso so unzählige. Ich weiß nicht ob da einfach ne ABM ist, aber es gibt tausende Wärter für Türen, die keiner benutzt, "Sicherheitspersonal" im Buchladen (alter Mann mit Weste, da wär der Dieb schon wieder draußen, bevor der vom Stuhl aufgestanden ist), in der Metro gibt es am Ende der Rolltreppe jemanden der aufpasst, in jedem Raum eines Museums, eine Einlassfrau in der Schule, etc. Mit stoischem Nichtstun sitzen diese Stunde um Stunde ihres Lebens ab (auch nachts), ohne überhaupt irgendetwas zu machen. Ich würde nach einem Tag schon eingehen. Es gibt unzählige dieser, meiner Meinung nach unnötigen Wartejobs. Aber eine Jacke mit Emblem und etwas Geld lässt die Leute ja alles machen.

Am Freitag war in der Schule letzter Schultag vor den Ferien, daher hatte erst meine Klasse eine Feierstunde für sich und dann haben unsere Lehrer noch ein Programm aufgeführt, mein Sozialkunderlehrer als Väterchen Frost, der Informatiklehrer war die gute Fee, und meine Lehrerinnen wurden jeweils zur "Snegurutschka", der Gehilfin von Väterchen Frost. Soviel Selbstironie finde ich klasse (:
Die Schüler mussten dann verschiedene Spiele machen und Punktesammeln. Aber seht selbst:

 Weihnachtsfeier


 Stuhltanzfinale

 Дед мороз sucht seine Снегурочка



Na gut, das war's für heute und für 2012. Schön, dass die Welt doch noch da ist, wo sie sein sollte ;D


Ich wünsche allen Bloglesern einen wunderbaren Start ins neue Jahr! Man liest sich in 2013!


Russisches Wort des Tages:

больница  (balnieza)- Krankenhaus

Russisches Wort des Jahres:

студент по обмену (studjent pa abmjeny) - Austauschschüler

From Russia to the New Year

Heinrich

Dienstag, 25. Dezember 2012

Algebra an Heiligabend - С Рождеством

С РОЖДЕСТВОМ!

Ich wünsche allen Bloglesern wunderbare Weihnachtstage mit Familie und Bekannten, eine fröhliche und Glückliche Zeit!
Weihnachtsgrüße von meiner Gastschwester

Wie mittlerweile wahrscheinlich jeder mitbekommen hat - hier in Russland wird am 24. Dezember überhaupt nicht gefeiert. Es ist ein ganz normaler Arbeitstag. Daher musste ich natürlich auch zur Schule - schon etwas komische in Mathe und Physik zu sitzen, wenn in Deutschland die Familien zum Heiligabend zusammenkommen.
Trotz Schnee und -20°C war ich nach der Schule daher überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung und musste mir, um das zu ändern, erstmal 2 1/2 Stunden das Weihnachtsoriatorium reinhämmern. Das hat auch mehr oder minder gut gewirkt. Außerdem hat meine echt großartige Familie alles versucht, um mir ein schönes Weihnachtsfest zu machen, auch wenn sie es überhaupt nicht feiern. Es gab Abendessen am mit Tannenzweigen geschmückten Tisch und Youtube hat netterweise den Kreuzchor samt Weihnachtsliedern beigesteuert, daher war es schon fast wie zu Hause, vollkommen ohne eine Spur von Heimweh. Ich habe aber von vielen andere Austauschschüler gehört, dass das gerade eine ziemlich schwierige Zeit für sie ist.
Und heute hat meine Gastmutter sogar Ente gemacht, das erste Mal in ihrem Leben. Langsam ist zu befürchten, dass es hier in Russland traditioneller wird als zu Hause... ;D

Für mich, traditionsgemäß, durfte auch die Queen nicht fehlen:

 Youtube; Weihnachtsansprache der Queen

Wie ich schon angekündigt habe, war ich am Wochende in St. Petersburg. Da hab ich mich auch mit Lisa getroffen, meiner Lieblingsbelgierin, die auch Austauschschülerin über Rotary ist. Ansonsten sind wir bei EISESkälte über den Nevskiy Prospekt spaziert, und da die Tage ja jetzt am kürzesten sind, ist die ganze Straße schön beleuchtet.






Die Fahrt von Novgorod nach St. Petersburg ist mit dem Vorortzug aber langsam und anstrengen. Außerdem ist es unheimlich eisig in den Waggons. In Piter fährt man dann natürlich Metro, ganzer stolz der ehemaligen Sowjetischen Baukunst. Da Petersburg auf Morastboden erbaut wurde, ist die Ubahn sehr, sehr tief im Boden. Man fährt also erst minutenlang auf der Rolltreppe hunderte Meter in die Tiefe. Die Stationen sind dann sehr schön verziert, jede in einem anderen Stil. Fotografieren ist dort allerdings normalerweise verboten, daher hier ein paar "offizielle" Bilder aus dem Internet:

+
Reiseführer: "Unterirdische Kathedralen des Kommunismus"


Bei Rotary sammelt man immer so wunderbare Anstecker (Pins) auf seinem Blazer. Doch wie bringt man sie in die richtige Reihenfolge? Das Alphabet kann helfen.

Werde mich die Woche nochmal melden, für den letzten Eintrag für 2012.

Ansonsten noch schöne Weihnachtstage!


Russisches Wort des Tages:

Рождество (Roshdestwo) - Weihnachten

From Russia with Best Christmas wishes,

Heinrich


Donnerstag, 20. Dezember 2012

Höchstleistung in Eiseskälte; Blogspäßchen

Noch 1 Tag!

Ja seit einiger Zeit gibt es bei uns in der Schule nur noch ein Thema, das Конец Света, also das Ende der Welt, was für diesen Freitag angesagt ist. Nun, natürlich glaubt keiner wirklich dadran, das einzige Weltuntergangsfeeling entsteht bei mir dank den -21°C Aussentemperatur. (Ohne Kommentar, Lara!). Ich kann euch versichern, das ist wirklich kalt, vorallem weil wir hier den feuchten, nasskalten Wind haben. In Sibirien ist es zwar mit über -40°C erheblich kälter, dort ist die Kälte jedoch trockener und daher nicht so unangenehm. (Hab ich mir sagen lassen). Nichtsdestotrotz hat Россия 1, das Programm das bei uns immer zum Früstück läuft, vermeldet, dass es in einigen Städten der kälteste Winter seit 70 Jahren ist. Netterweise natürlich in dem Jahr, in dem ich hier bin :D
Sogar in den Bussen ist es manchmal so bitterkalt, dass man Angst hat, die Ipod-Kopfhörer frieren im Ohr fest. 
Nächste Woche soll es aber wieder etwas wärmer werden; wenn auch nur bis kurz nach Neujahr.
 Mittagshitze

Wenn alles so bleibt, wie geplant, dann fahre ich am Wochenende mit Sascha nach St. Petersburg in die Wohnung meines Gastvaters. Ich freu mich schon, auch wenn man für die 180km mit dem Vorortzug ewig braucht. Berichten werde ich dann nächste Woche, der Sonntags-Eintrag fällt wahrscheinlich aus. Und am Montag ist ja schon Weihnachten - oder wäre wie gesagt, denn ich muss ja ganz normal zur Schule. Das wird komisch.

Genosse Lenin friert ein wenig

Heute habe ich übrigens im Schulsport-Fussball 3 Tore geschossen. Dieses, als Höhepunkt meiner gesamten sportlichen Karriere anzusehendes Ereignis kann nur durch 2 Möglichkeiten erklärt werden: Entweder habe ich mich in den letzten 4 Monaten in Russland zu einem mittelmäßigen Fussballspieler entwickelt, oder meine Klasse ist einfach total schlecht im Fussball. Ich vermute letzteres.
Um die Wertigkeit dieses Geschehens zu verstehen, muss man wissen, dass Fussball bis jetzt eher nicht zu meinen Stärken zählte. Auf meinem ersten Stadtspaziergang durch Novgorod zum Beispiel habe ich mich beim Versuch einen verschossenen Ball zurück zum Spielfeld zu kicken, natürlich gleich einmal höchst unelegant auf den Boden geschmissen, weil ich vorwärts über den Ball gerollt bin. Ich denke das ging auch nicht mehr als Fallrückzieher durch.
Diesen Teil der Stadt habe ich ab da an eher gemieden...

Letztens habe ich übrigens mal ein bisschen in den Blog-Statistiken herumgeschaut (Danke für knapp 3.200 Besuche!), dabei ist mir bei den Googlesuche-Schlagwörtern, die auf meinen Blog geführt habe, folgendes aufgefallen:


Also ich frage mich ernsthaft wie jemand aufgrund von Müllsammeln auf meinen Blog klickt. Eigentlich frage ich mich sowieso, warum jemand ernsthaft nach "9A Müllsammeln" googelt. Erwartet man darüber einen Wikipediaeintrag?
Nett ist aber auch "Fettes Mädchen", ich frage nur, wo sich die Verbindung zu mir herstellen lässt. "Jarmarka Retzel" klingt sehr vielversprechend. Auch gefallen hat mir aus der Statistik eines anderen Monats "mädchen am mikrofon vor der klasse"(???). Ich mein, was googeln die Leute so? und warum kommt man denn auf meinen Blog?

Die Antwort würde mich wirklich interessieren, und ich bin natürlich weiterhin an Feedback interessiert. Mittlerweile wurde meine Blogadresse ja doch schon weiter und weiter durchgegeben und ich weiß gar nicht, wer diesen Blog noch alles so liest, daher freue ich mich immer über einen Kommentar hier oder eine kurze mail an: heinrich.bloginput@yahoo.de
(gerne mit Fragen, Kritik und Anregungen!)

Bis dahin wünsche ich schonmal einen schönen Vierten Advent am Sonntag. Hoffen wir mal, dass die Welt nicht untergeht, sondern wir uns alle gesund wiedersehen :D

Russisches Wort des Tages:

холодно (cholodna ["ch" aus dem Rachen]) - kalt

From Russia with Freeze


Heinrich







Sonntag, 16. Dezember 2012

Skifahren in Sowjetsporthallen

Hallo ;D

Um nochmal an das Thema vom letzten Mal anzuknüpfen; russische Kultur -
Eigentlich gibt es für Russen nur zwei Bereiche, in denen sie sich so richtig ins Zeug legen.
Sport und Musik.
Fast jeder, ob Jung oder Alt, beschäftigt sich in seiner Freizeit entweder mit dem einen oder anderen. Davon zeugen die 4 Musikschulen allein in meiner Stadt, die natürlich die unzähligen Privatlehrer nicht mit einbeziehen. Soweit ich das mitbekommen habe, ist der Musikschulunterricht auch ganz schön hart. Was meine Gastschwester (11!) so auf dem Klavier vorspielt ist nicht ohne, und dabei ist das nur ihr Zweitfach. Aber dank dem Klavier im Haus habe ich jetzt auch wieder angefangen ein bisschen zu spielen.
Und Sporthallen gibt es hier auch wie Sand am Meer, wenn auch durch alle, aufgrund schlechter Instandhaltung, ein kalter Hauch der Sowjetzweit schwebt. (u. a. dank undichten Fenstern)

Zusammen mit meiner Gastfamilie spiele ich jetzt einmal die Woche Tennis und beschäftige mich, naheliegenderweise mit - Skilanglauf.
Ich hatte mir das allerdings ein bisschen spannender vorgestellt, denn die ganze Zeit durch den Wald zu laufen, so in etwa wie beim Nordic Walking, ist jetzt nicht DER Spaß des Jahrhunderts. Nach 10 Jahren Skifahren in den Bergen ist das sowieso irgendwie anders. Obwohl's aber auch ganz ok ist.


 etwas vom Weg abgekommen

Der Wind ist mittlerweile wirklich eisig und -15°C Grad sind keine Seltenheit mehr. Sollte ich mich nochmal fragen, warum mich ein Russe so unfreundlich anschaut, dann weiß ich jetzt, es kann auch daran liegen, dass einfach die Gesichtszüge eingefroren sind. Denn so habe ich mich heute gefühlt.

In der Schule habe ich übrigens jede Woche eine Konsultation mit meiner Direktorin, in der ich auf Russisch über meine Woche berichten soll. Eigentlich ist die ganz nett, aber irgendwie schweift sie zwischenzeitlich durchaus mal in einen 60-Minuten-Vortrag über ihren Lieblingsdichter Puschkin ab. Das ist dann schon etwas anstrengend...

 wie versprochen: Ein Bild von meiner Schule
(innen gibt es noch einen Tannenbaum, Sterne, Lametta und solchen Kram)

Ansonsten haben wir gerade den 2. Weltkrieg in Geschichte und das ist für mich irgendwie ein ganz komisches Gefühl, denn wir schauen uns ständig an, wie anfangs in Russland alles niedergebombt wurde. Irgendwie hab ich das Gefühl ich werde ständig angeschaut, obwohl das in Echt eigentlich niemand macht. Ich fühl mich dafür was damals passiert ist zwar nicht direkt verantwortlich, aber irgendwie ist das doch eine etwas unangenehme Situation, obwohl ich schon vor der Abfahrt überlegt habe wie das wird. Ich glaube, das Thema ist einfach Bestandteil für einen Austauschschüler aus Deutschland, ob man will oder nicht. Aber ich will das nicht jetzt diskutieren, wer sich für die Sache interessiert (wie geht man damit um; z. b. hier in Russland, meine Meinung; etc.), der schreibt mir einfach oder es gibt dazu mal einen Extra-Blogeintrag, weil das echt ein umfassendes Thema ist.

Итак, Ich wünsche euch allen noch eine schöne Vorweihnachtszeit :D
Schon ist der 3. Advent...


Russisches Wort des Tages (auf Wunsch ab jetzt mit Aussprachehilfe):

кататься на лыжах (katath-sja na lischjach (das ж wie das 2. "G" in Garage) - Ski fahren


From Russia with Love,

Heinrich

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Lebensgefahr im Literaturparadies

Es wird wärmer!

jedenfalls ein bisschen. oder besser gesagt es wurde wärmer für ein, zwei Tage.
Das war an sich sehr schön, nur hatte das ganze einen Nachteil: Eiszapfen. Das über Nacht gefrorene Tauwasser hat meterlange (!) Eiszapfen gebildet die jetzt von den Hausdächern hängen. Besonders schlimm war es am Dienstag, denn dort fielen viele von den Eiszapfen herunter und bildeten gefährliche Geschosse - ich werde mich noch lange an das Geräusch erinnern, das dabei zu hören ist, wenn ein anderthalbmeter-Eiszapfen dort heruntergeht, wo du 2 Sekunden vorher standest. Zuerst ein makaberes Knacken wie zerberstende Knochen gefolgt von einem lauten Zersplittern auf dem Boden. Optional noch das schreien hysterischer Frauen die in der Nähe sind. Auch wenn das jetzt etwas pathetisch klingt, diese lautmalerische Beschreibung trifft es ganz gut.

 noch die harmlose, kleine version...




Diese Woche waren in der Schule übrigens viele Geburtstage und diese werden hier auch in der Oberstufe noch in der Schule gefeiert. Man trifft sich dann nach der Stunde zum Kuchenessen (respektive gibt es auch tausende andere russische Spezialitäten, heute habe ich nämlich etwas gegessen, dass wie roher Teig schmeckte) und die Lehrerin gibt den Geburtstagskindern jedesmal ein Geschenk (Ohrringe, Iphonehüllen, Tassen, etc.). Dann folgt die russische Tradition des "toastens", das heißt, jeder in der Runde erhebt der Reihe nach sein Glas (bzw. seinen Orangensaft-Pappbecher) und spricht dem Geburtstagskind ein paar gute Wort und Wünsche aus. Ich finde, das ist eigentlich eine ganz nette Tradition.

Auch wenn man über Einrichtungsstil und Musikgeschmack der Russen streiten kann, einen Sinn für Literatur haben sie auf alle Fälle. Allein weil es in der Schule ein eigenes Unterrichtsfach "Literatur" gibt. Und jeder hat Puschkin, Gogol, Lomonossow gelesen, um nur einige der großen russischen Schriftsteller zu nennen. Und wenn ich sage jeder, dann mein ich das auch so.
Russen lesen auch überall, beim warten auf der Post oder beim Busfahren. Und auch von ausländischen Schriftsteller ist unheimlich viel hochwertiges vorhanden. In der noch so kleinen Buchhandlung gibt es fast immer eine gute Auswahl an Büchern von Remarque, Hemingway und Wilde und man bekommt Shakespeare überall im Original. Etwas selbstkritisch auch Orwells "1984". Zu erschwinglichen Preisen!
Hab mir diese Woche mal Agatha Christie gekauft, für 2,50€. Die englische Originalausgabe ist dabei im Anhang Russisch kommentiert, wobei Redewendungen und schwierige Vokabeln übersetzt und erklärt werden. Das ist wirklich gut.














qualitativ hochwertig - Redewendungen zum besseren Verständnis übersetzt

Übrigens, unsere Schule ist jetzt winterliche geschmückt, mit Lichterketten, Tannenzweigen und einem Weihachtsbaum. Ein Bild folgt!

Ansonsten hat es jetzt natürlich wieder angefangen zu schneien und kalt zu sein..


Russisches Wort des Tages:

сосулька - Eiszapfen


From Russia with Love

Heinrich



Sonntag, 9. Dezember 2012

Weihnachtszeit im Weihrauchnebel

привет!


also ganz ehrlich, die Zeit vergeht gerade echt unheimlich schnell. Bald ist schon wieder Weihnachten! Übrigens... am 24. Dezember werde ich hier, wie jeder andere auch, in die Schule gehen. IN DIE SCHULE - an Weihnachten!
Ja, das hat zwei Gründe:
Erstens ist das christliche Weihnachten hier nach jahrelang staatlich verordnetem Atheismus nicht so verbreitet. Der ganze Kram mit Geschenke verteilen, Tannenbaum und Essen in der Familie wird einfach zum Jahreswechsel miterledigt. Als Weihnachstmann-Äquivalent kommt "Дед Мороз" (Ded Moros), also Väterchen Frost.
Zweitens wird das richtige Weihnachten erst im Januar gefeiert, da sich die christlich-orthodoxen Feiertage immernoch nach dem ehemaligen julianisches Kalender richten - daher feiert man das "Weihnachtsfest", also Christi Geburt am 7. Januar.
Nichtsdestotrotz bin ich dank ununterbrochenem Schneien ganz gut in Weihnachtsstimmung, daher hab ich mit meiner Gastschwester auch Weihnachtsplätzchen gebacken. Dazu muss man allerdings sagen, dass wir 3 Stunden durch die Läden gelaufen sind um Ausstechformen aufzutreiben.

nach harter Arbeit

Kuchen wird hier überall gern gegessen, vorallem die Sahnetorten, die man überall fertig im Supermarkt kaufen kann. Ansonsten gibt es aber auch "пирог" (pirog), also Hefe- oder Blätterteig(blech)kuchen. Der ist dann aber auch oft mal mit Kohl, Fleisch oder Fisch gefüllt - was, nunja, sehr interessant schmeckt. Das ganze gibt es auch als Teigtasche nennt sich dann "пирошки" (piroschki), und ist eine beliebte Vorspeise.

russische Piroschki

Am Freitag war ich übrigens einmal im orthodoxen Gottesdienst, denn der Bruder meines Gastvaters ist dort Priester. Naja, so richtig gut besucht ist das nicht, und man steht (!) dann eine halbe Stunde oder länger zwischen ein paar Kopftuchömis und wird mit Weihrauch eingenebelt. Dann wird gesungen und gebetet und gepredigt, nun, so ein bisschen wie bei uns. Danach kann man sich bei einer grantigen Einlassfrau ein paar Kerzen kaufen, und in bestimmte Kerzenständer stecken, entweder um den Toten zu gedenken oder etwas für die Lebenden zu wünschen.

 Ich hab gehört, in Stralsund schneit es jetzt auch etwas mehr? Dann solltet ihr mal herkommen, denn hier schneit es schon wieder seit 4 Tagen und die Schneeberge sind teilweise so groß wie ich. Langsam geht mir der Schnee allerdings etwas auf den Senkel. Obwohl der Winter noch lange dauern wird....

grüße von Katze

Russisches Wort des Tages:

Kirche - церковь

Bis dahin

From Russia with Love,

Heinrich







Sonntag, 2. Dezember 2012

Spaß in den Schneemassen

Tag 99 in Russland!

Ja, das bedeutet morgen ist 1/3 meines Austausches schon rum. Die Zeit vergeht echt so unheimlich schnell...
Mitte der Woche hat es hier aus heiterem Himmel angefangen zu schneien (geniales Wortspiel ;])
Nach 3 Tagen ununterbrochenem Schnee und Sturm lagen dann plötzlich mal 70-80cm Neuschnee. Nun, Schnee ist ja in Russland eigentlich nicht so ungewöhnlich, aber irgendwie schien man in Novgorod darauf nicht so ganz vorbereitet - Am Freitag in der Schule kamen einige 2 Stunden zu spät, weil sie die ganzen Morgen im Bus verbracht hatten. (Dafür wurde man von der Direktorin als "Held" geehrt, wenn man trotzdem kam)
Der Busverkehr gestaltet sich nämlich dahingehend problematisch, dass die Zahl der Leute, die im Schneetreiben lieber Bus fahren, sprunghaft anstieg, die Zahl der tatsächlich "fahrenden" Busse, (die aber eher die Straßen im Schrittempo entlangrollten,) sich jedoch ungünstigerweise entgegengesetzt verhielt. Daher schichteten sich die Russen systematisch in die wenigen, endlos langsamen Busse ein.
Auf meiner Fahrt am Freitagnachmittag fühlte ich mich daher eher wie ein Stück Dosenfisch, aber die Russen scheint das alles überhaupt nicht zu stören. Ganz im Gegenteil, alles geht genauso weiter wie vorher.




Bis halt auf den Verkehr. Scheinbar hält man hier nicht soviel davon, den Schnee auch mal von den Straßen zu fegen, daher schleudern die Autos durchaus auch mal in der Kreuzung weg, wenn die Räder auf den Schneemassen keinen halt mehr finden. Oder die Busse. Hatte das erste mal den Wunsch, mich im Bus anschnallen zu können, als mein Bus abends auf leerer aber schneebedeckter Straße über die Eisbahn bretterte und die Räder dabei soviel Griff hatten, wie ein Stück Butter in der Bratpfanne.

 russische Straßen im Winter...

Meine Gastfamilie schaut sehr gerne Filme, daher gabs diese Woche schon 3. Die Synchronisierungen sind aber meist grottig. Aus irgendeinem Grund hört man immer erst das (meist englische) Original im Hintergrund und dann die russische, emotionslose, monotone Synchronstimme. Am besten ist es, wenn im Hintergrund jemand voller Angst "nooooo!" schreit und der Russe dann "njet" in dem Tonfall sagt, als würde er gerade einen Blumenverkäufer auf der Straße abwimmeln. Meist gibt es auch nur eine Stimme für Mann und Frau, was dem Ganzen unfreiwillig eine gewisse Komik verleiht. Von den Untertiteln ganz zu schweigen...

Ansonsten gibt's hier nichts sonderlich neues, ich bringe meinen Gastbruder jetzt Deutsch bei, weil er nächstes Jahr vielleicht auch ins Ausland will. Das ist allerdings gar nicht so einfach..
Außerdem wurde heute auch noch das Geld von Taylor geklaut und ich wurde zur Übersetzung dazugerufen. Naja, das hieß dann 2 Stunden mit der Polizei im Kaufhauskeller sitzen und frei nach Agatha Christie die Täter mit wilden Spekulationen anhand von schlechten Überwachungskameravideos zu identifizieren. Ein unheimlicher Spaß!

Übrigens, der Winter in Russland ist durchaus auch sehr, sehr schön! Viel Schnee im heutigen Blogpost...




Russisches Wort des Tages:

автобус - Bus


Тогда, from Russia with Snow,

Heinrich

Mittwoch, 28. November 2012

Coctails aus Nichts und klirrende Kälte

Hallo,
heute gehts mal ein bisschen über dies und das; ich hoffe es ist interessant (:

Einige Dinge hier habe ich wirklich vorher niemals gesehn.
Den Sauerstoff-Coctail, also besser gesagt ein Spritzer Saft aufgeschäumt mit Luft. Und das wird verkauft! Mit einem Einkaufspreis von gefühlten 0,001 cent ist das wirklich die genialste Möglichkeit Geld zu machen. Erfinderisch, die Russen.  (Das Zeug ging übrigens weg wie nichts bei den Leuten, es schmeckt süß und ein bisschen nach Energy-Drink).

leider nur ein Handybild


Allgemein ist aber das Essen echt billig, wie zum Beispiel in unser Cafeteria. Ein kleiner Teller Nudeln (allerding ohne alles) kostet gerade mal 18 Cent, eine Tasse Tee mit Zucker sogar nur 5 Cent! Ich finde daran könnte sich unsere Cafeteria mal ein Beispiel nehmen.

Ich hatte ja schon ein paar mal darüber geschrieben, dass Naturwissenschaften echt gut unterrichtet werden, Mathe mit seinen Vektoren und Sinus und Cosinus und was noch alles grausiges sogar komplett ohne (!) Taschenrechner oder Tafelwerk. Dafür, was die so machen, ist das echt nicht schlecht...
In der Schule sind übrigens gerade Psychologische Tests und Drogenuntersuchungen. Habe hier von anderen Austauschschülern gehört, dass das überall so ist.
Ich kann aber um Himmelswillen nicht verstehen, wozu man Aufgaben lösen soll, in der danach gefragt wird, welche Farbe du mit welchem Schulfach verbindest? Für Physik - Anthrazit. Oder so.


Nun, ansonsten ist es hier ziemlich kalt und es schneit wieder. Ich hatte schon angefangen mich darauf einzustellen und es gar nicht soo schlimm zu finden. Bis mein Gastbruder sagte: "ach ja, es wird schon etwas kühl. Wenn ich daran denke, dass demnächst der Winter anfängt!" 
Anfängt? Ich hätte gesagt, wir sind mittendrin.

 Evening Novgorod




Ansonsten freu ich mich, dass ich über die Mails, die bei mir eintrudeln. Ich versuche immer so schnell wie möglich zurück zu schreiben, aber das geht natürlich nicht immer sofort ;D

Als Bonus doch noch das Video aus Sotchi. Auf Russisch natürlich!





Russisches Wort des Tages:

воздух - Luft

From Russia with Love

Heinrich

Sonntag, 25. November 2012

"Wie man einen Atomangriff überlebt" als Schulfach - und eine neue Familie



Heyhey!

Die ganze Woche bin ich nun schon wieder in Novgorod. Und damit ist auch schon der Tag an dem ich genau 3 Monate hier bin.

Nachdem ich jetzt doch gut 3 Wochen Ferien hatte, ging’s am Dienstag und Mittwoch wieder in die Schule, diesmal jeweils den ganzen Tag in die 11. Klasse (wobei ich lediglich im Unterricht die Zahlen in Mathe verstanden habe.) Am Mittwoch hatten wir dann eine Beratung mit der Direktorin, wo eigentlich aber eher über uns und nicht mit uns beraten wurde. Das Ergebnis ist daher, dass wir ab jetzt in die 9. Klasse gehen. Relativ überraschend war auch die Nachricht, dass ich jetzt am Wochenende die Familie wechsele. Naja, immerhin noch 4 Tage zum packen. Mehr dazu später.


Am Donnerstag war für uns aber netterweise noch mal ein freier Tag, daher war ich das erste Mal beim russischen Friseur, was aber besser war als gedacht. Den ganzen Vormittag hatte ich schon sämtliche Vokabeln, die etwas mit Kopf und Haaren zu tun haben, auswendig gelernt, letztendlich bin ich aber an eine Friseurin geraten, die nicht so viel davon hielt mehr als nötig zu kommunizieren. Das einzige was sie hervorbrachte, war „ein bisschen?“ am Anfang und ich stimmte gleich mal zu, da ich befürchtete, dass, wenn sie meine auswendig gelernten weiteren Erklärungen nicht versteht, sie mir gleich den ganzen Kopf abrasiert. Das Endergebnis ist aber ok, und für 300 Rubel (7,50€) durchaus günstig ;D
Nachmittags sind wir zusammen mit unseren Rotary-Jugendverantwortlichen zum Ratstreffen der gesellschaftlichen Kammer Novgorod, und aus mir nicht ganz plausiblen Gründen, auch zur Konferenz der Regierungspartei „Einiges Russland“ gegangen. Danach sind wir noch zu Taylor gefahren, wo wir Thanksgiving gefeiert haben, mit tollem Essen, dass Taylor vorbereitet hatte.

Am Freitag und Samstag (!) waren wir dann wie gesagt in der 9. Klasse zum Unterricht. Ich finde es immer noch wie unterschiedlich einige Dinge ablaufen; im Literatur-unterricht wird über die großen Dichter und Schriftsteller Russlands berichtet, die über die Schönheit des Landes geschrieben haben, während im Hintergrund bunte Poster über das richtige Verhalten bei einem Atomangriff aufgeklärt wird. Kleine Mädchen, die sich, fast schon spielerisch wie es scheint, vor kleinen gelben Bömbchen verstecken. Dazu gibt es ja auch ein eigenes Fach ОБЖ.



ОБЖ - Lehrbuch

ah jaa...



Die Woche habe ich schon mal Weihnachtsgeschenke besorgt und nach Hause geschickt. Die ganzen Formulare auszufüllen hat zwar wieder ne stunde gedauert, allerdings war die Zollerklärung auf Russisch und Französisch, was im Internationalen Postverkehr ja so üblich ist, wenn’s mir auch nicht so ganz einleuchtet warum. Jedenfalls haben die 4 Jahre Schulfranzösisch ihren Dienst getan, und außerdem kennen mich die Damen auf der Post ja sowieso schon sehr gut (:

Wie schon gesagt, nun bin ich in einer neuen Gastfamilie, die sind wirklich sehr nett! Ich habe zwei Gastgeschwister, mein Bruder Sascha (15) ist mit mir zusammen in der 9. Klasse und meine Schwester Katja (11) in der 5. Klasse.
Daher gibt’s natürlich auch ne neue Adresse!
 
mein neues Zimmer ;D


Russisches Wort des Tages:

урок - Schulstunde

From Russia with Love,

Heinrich