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Sonntag, 19. Mai 2013

Vorurteile im Check (4): Download von Matrjoschkas

Der Sommer ist da - ich glaube in Novgorod würde der Frühling übersprungen. Hatten wir vor ein paar Wochen noch Schnee und Eis, ist nun das Sommerwetter mit Sonne und 28°C angekommen. Außerdem gewittert es unheimlich oft, ungefähr jeden zweiten Tag.

Beim Sonnenwetter haben wir uns diesen Samstag entschieden, mit dem Dampfer einmal den Wolchow entlang zu fahren. Nun gut, außerhalb Novgorods gibt es nun nicht soo viel zu sehen, nur hier und da mal ein paar Kirchen und Klöster. Allerdings fuhren wir auch bis zum Ilmen-See (rus. Ильмень), dem größten See unserer Oblast (35 x 45km). 

 Ilmensee
Heute, zum Geburtstag meines Gastvaters, sind wir nach Staraja Russa gefahren, einem kleinen russischen Provinzort auf der anderen Seite des Ilmensees. Dort läuft das Leben noch etwas langsamer. Die Stadt ist schon ziemlich alt, hat viele Kirchen und Klöster. Der Dichter Fjodor Dostojewski hat dort ein paar Jahre gewohnt (z. B spielt dort teilweise der Roman "Die Brüder Karamasow").
Und natürlich gibt es einen Platz der Revolution und Straßen zu Ehren von Marx, Engels, Liebknecht und Zetkin.

Besonders an Staraja Russa ist aber der Status als Kurort, denn dort gibt es Mineralwasser und Heilschlamm. Viele Leute fahrenden dort hin, um sich von allmöglichen Krankheiten zu erholen. Auch wir haben natürlich gleich einen Becher Mineralwasser getrunken (Geschmack eher mittelmäßig).


Da noch ein paar Themen offen sind, kommt hier der Abschluss des Vorurteil-Checks über Russland

12. Rolle der Frau

Die Frauenrolle ist ein durchaus interessantes, aber auch kompliziertes Thema. Vorallem bis zum 19. Jahrhundert war Russland ein sehr patriarchalisches Land (auch wenn man sagen muss, dass es im russischen Reich vier Zarinnen als Herrscher gegeben hat, von denen zumindest Katharina die Große eine sehr herausstehende Rolle in der Weltgeschichte spielte).
Natürlich gibt es auch hier in Russland noch eine Menge Familien, in denen der Mann als Ernährer der Herr im Haus ist. Auch die Rollenbilder sind traditionell mehr auf weibliche bzw. männliche Attribute festgelegt: Der Mann als stark und fähig die Familie zu ernähren, die Frau schön und für die Kinder zuständig.
Allerdings hat das poltitische Regime des letzten Jahrhunderts seinen Einfluss hinterlassen: in der ehem. Sowjetunion war es auch für Frauen selbstverständlich einen Beruf zu ergreifen und zu arbeiten. Vorallem mathematisch-technische Berufe wie Architekt(in) oder Ingenieur(in), die man ja "traditionell" eher Männern zuordnet, werden hier vielfach auch von Frauen ausgeübt. Auch das Alter ist entscheidend: die russichen "Babuschkas" haben oft entschiedenen Einfluss auf die Familien.
Nach meiner Ansicht sind besonders die jungen Russinnen sehr selbstbewusst, zielstrebig und selten unterwürfig. Allerdings gibt es leider auch hier Vorkomnisse wie häusliche Gewalt gegen Frauen.




13. Downloadparadies

Das Internet ist für die Russen eigentlich ein Selbstbedienungsladen mit fast endlosem Sortiment. Das Herunterladen von Musik, Filmen, Büchern, Programmen, kurz all dem, was sich digital speichern lässt, ist hier ganz alltäglich. Im bekanntesten russischen Social Network "VKontakte" (Вконтакте, vk, Russen-facebook), gibt es alle möglichen Musikstücke zum freien Anhören. Eingebunden in das Netzwerk ist auch eine Art Videoplattform (ähnlich wie youtube), zum einen mit Privatvideos, aber selbstverständlich hauptsächlich mit Raubkopien von Filmen jeglicher Art. Dass das Herunterladen von dort ein Kinderspiel ist, überrascht wahrscheinlich niemanden.
Beliebter für das "ziehen" von Filmen sind allerdings Torrents, eine spezielle Downloadmöglichkeit im Internet. (Für Erklärungen bitte kurz googeln). Wenn man den Namen eines Filmes in Internetsuchmaschinen eingibt, ist grundsätzlich der erste Eintrag "Torrent" (bzw "kostenlos downloaden"). Ähnliches gilt für Computerspiele, Lehrbücher, E-Books und so weiter.
Per Gesetz ist es natürlich nicht erlaubt (glauben jedenfalls die Leute, mit denen ich geredet habe, sicher weiß es auch keiner), jedoch wird eigentlich niemals jemand strafrechtlich dafür belangt.
Dieses weitverbreitete Downloaden führt aber zu einer ganz kuriosen Erscheinung; und zwar sind "richtige" DVDs oder CD's in Russland ziemlich billig (normalerweise 3-5€). Die großen Filmverleihe haben sich nämlich dazu entschlossen, hier die Filme zum Sonderpreis anzubieten, weil die sonst gar keiner mehr kaufen würde.

so sieht dann die Suchvervollständigung bei Yandex.ru aus, wenn man nach "Skyfall" sucht.


14. Matrjoschkas

Diese kleine Holzpuppen (rus. Матрёшка) sind natürlich DAS Souvenir aus Russland. Ich nehme an, jeder kennt die mehrteilgen hölzernen Figuren. Anfang des 19 Jahrhunderts erfunden, erfreuen sie sich heute eigentlich nur noch bei Touristen ungebrochener Beliebtheit. In russischen Haushalten sieht man sie dagegen eher selten. Die einfacheren Matroschkas bestehen aus 3 oder 5 Einzelfiguren, andere aus 7 oder mehr Teilen. Die Bemalung variiert dabei nach Herstellungsort. Neuerdings gibt es an den Souvenirbuden aber auch Matrjoschkas mit Bildern von Putin, Medwjedew, Jelzin oder Lenin (nach Belieben auch alle zusammen).
Traditionell ist die Frontzeichnung jedoch eine Frau in gelbem Kleid mit rotem Kopftuch.

Falsch ist übrigens die Bezeichung Babuschka. Wieder jeder mitbekommen hat, heißt das Oma und hat mit den Puppen überhaupt nichts zu tun.



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Damit ist der Vorurteils-Check zu Russland auch vorerst beendet. Hat noch jemand eine Frage, dann wie immer über: heinrich.bloginput@yahoo.de

Morgen beginnt meine letzte Schulwoche - der Abschied ist nah...


Russisches Wort des Tages:

Озеро (osero) - der See

From Russia with Love,

Heinrich


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